№15
Die Welt der Anna Depenbusch Februar 2020

Die Wahrheit über die ungeschminkte Wahrheit

#nomakeupmakeup und andere Trends

Es ist 01:45 Uhr. Ich kann nicht schlafen. Dieses leere Blatt Papier hält mich wach. So unbeschrieben, wie es hier vor mir liegt, lässt es meine Nervenzellen in Kreativbereitschaft feuern und keine Ruhe finden. Morgen, also in wenigen Stunden soll diese Kolumne fertig abgegeben und hochgeladen sein. Fünf Sätze habe ich aber erst... Na ja, und jetzt, wo ihr alle hier sowieso schon mitlest, schreiben wir das Ding doch einfach zusammen fertig. Einverstanden? – in Echtzeit sozusagen!

Die letzten Tage waren bei mir so wahnsinnig vollgepackt mit Terminen, dass ich keine Muße gefunden habe, um die Kolumne zu schreiben. Eigentlich liebe ich den Mußenmoment zum Schreiben sehr und freue mich vorher immer schon darauf. Aber diese Woche wollte sich keine freie Leerlauflücke auftun, aus der eine Geschichte hätte emporsteigen können. Ich war wie fremdgesteuert und von außen viel zu eng getaktet. Tja, da schweigt meine innere Ideenstimme einfach. Sie macht dicht und wird mucksmäuschenstill. Ach, – dachte ich dann – vielleicht gibt es an diesem ersten Freitag im Februar dann ausnahmsweise mal keine Kolumne. Ich bin erschöpft und eben gerade erst von einem langen Musikvideodrehtag nach Hause gekommen. Mein Kopf ist leer und ich will einfach nur noch ins Bett fallen und schlafen.

Es ist jetzt 02:08 Uhr. Ich stehe im Badezimmer vor dem Waschbecken und schminke mich ab. Heute für das neue Musikvideo war ich nicht besonders doll geschminkt. Eher natürlich: etwas Puder, Wimperntusche und ein bisschen kupferfarbigen Lidschatten. Das Kupfer würde besonders gut zu meinen grünen Augen passen, sagte die Visagistin vorhin. Sie sagte sowieso eine Menge verschiedener Dinge während der Maske. Ich glaube Visagistinnen sind die Wahrsagerinnen der heutigen Zeit. Sie deuten Lebenswege und vertrauen einem die geheimsten Tricks und Kniffe an, wie man der grauen Zukunft noch strahlender gegenüber treten kann. Der allerneueste Trend, schwärmt die Visagistin, ist das No-Make-up-Make-up. (Ja genau: Keine-Schminke-Schminke!) Eine äußerst anspruchsvolle und sehr zeitintensive Make-up-Technik, die jeder Pinselprofi drauf haben sollte. Nach drei Stunden versierter Pinselstricharbeit sieht das Model dann aus, wie ungeschminkt, ist aber komplett geschminkt. – Hä? Das klingt absurd. Ich bin irritiert und frage nach: Wozu dann das Ganze? Weil man mit dem No-Make-up-Make-up so richtig „echt“ aussieht, meint die Visagistin. Ganz authentisch. Ich frage weiter: Und wenn man einfach nur ganz echt, authentisch und gar nicht geschminkt IST, wie sieht man dann aus?? Die Wahrsagerin schwenkt ihre Pinselwünschelrute und prophezeit mit besorgtem Blick: kränklich. Ich stutze. Ist das nicht total verkehrte Welt, frage ich. Nein, sagt sie, es ist die ungeschminkte Wahrheit.

Ich bin da anderer Meinung! Deswegen habe ich mein Album „Echtzeit“ getauft und ganz ohne akustische Schminke aufgenommen. Es klingt lebendig und nach Menschsein – nach einer unverstellten Liebeserklärung an das Leben im Augenblick. Aber sind unsere polierten Ohren das heute überhaupt noch gewohnt? Das frage ich mich in stillen Momenten... Ich hoffe sehr!

Es ist 02:37 Uhr. Das ungeschminkte Gesicht im Badezimmerspiegel sieht überhaupt nicht kränklich aus. Nur extrem müde, zufrieden und ganz authentisch. Das leere Blatt Papier von eben ist nun gefüllt. Die Kolumne ist fertig. Wir haben es geschafft, meine lieben Leserinnen und Leser! Ich danke euch herzlich für die unmittelbare Begleitung in Echtzeit. Boah, ganz schön spät... Licht aus... zzzzzzz.

Die März-Folge erscheint irgendwann im Laufe des Monats – zwischen Album-Promo und Tour.

"Die Welt der Anna Depenbusch" Kolumne erscheint immer am ersten Freitag des Monats.

Was denkst du? Schreib mir an briefe@annadepenbusch.de

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